Laut Wärmeplanungsgesetz soll Fernwärme besonders in urbanen Gebieten weiter ausgebaut werden. Eigentlich sinnvoll, da Stadtwerke als lokale Akteure die Energiewende voranbringen können. Aber gibt es nicht bessere Alternativen zu Gas und Öl, wenn Luft-Luft-Wärmepumpen nicht eingesetzt werden sollen? Womit kann die CO2-freie Wärmeversorgung gelingen und auch langfristig bezahlbar bleiben?
Auf das Versprechen einer günstigen und umweltverträglichen Fernwärme als Lösung zu vertrauen, könnte in Berlin teuer werden und auch die ökologische Rechnung zur angestrebten Klimaneutralität ist bisher fragwürdig. Deshalb setzen wir uns gegen einen weiteren Ausbau des Fernwärmenetzes ein und wollen es eher um Kalte Nahwärmenetze ergänzen. Dies erläutern wir hier anhand folgender Fragen:
Im Mai 2024 kaufte das Land Berlin das Fernwärmenetz von Vattenfall für 1,4 Milliarden Euro, finanziert über Schulden. Dazu kommt die Summe, die Vattenfall bereits im Juli 2023 für die anstehende Umstellung der Wärmegewinnung für das Netz veranschlagte, um bis 2030 aus der Kohleverbrennung auszusteigen: weitere 3 Milliarden Euro.
Wie teuer es wird, bis 2040 auch aus der Erdgasverbrennung auszusteigen, ist unbekannt [1] Anfrage Abgeordnetenhaus https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-17978.pdf . Fernwärmeausbau und -nutzung sind daher ein hohes finanzielles Risiko, mit entsprechend sozialen Folgen. Viele Mieterhaushalte mit eher geringem Einkommen sind an die Fernwärme angeschlossen[2] Report Sozialverträgliche Wärmewende in Berlin, Seite 14 https://www.ecornet.eu/fileadmin/ecornet/user_upload/Ecornet_Berlin/EcornetBerlin_Report14_Sozialvertraegliche_Waermewende_Berlin_-_Haushalte_mit_geringem_Einkommen.pdf . Sie können weder schnell noch preiswert auf eine andere Energieversorgung umgestellt werden. Das Netz wird daher weiter betrieben werden. Nur wer wird das bezahlen?
Der Senat wird weitgehend dem von Vattenfall vorgelegten Plan zur "Klimaneutralität" folgen[3] Dekarbonisierungsfahrplan Vattenfall, Seite 20 https://wärme.vattenfall.de/binaries/content/assets/waermehaus/startseite/allgemein/dekarbonisierungsfahrplan---vattenfall-warme-berlin-ag.pdf : Ab 2040 soll die Fernwärmeenergie zu etwa 30-40% aus Wasserstoff, zu 10% aus Müllverbrennung, zu 16% aus Biomasse- und Holzverbrennung und zu 34% aus Strom bzw. Erneuerbaren Energien kommen. Werden fossile Brennstoffe oder Holz verbrannt, soll das so entstehende CO2 abgetrennt und gespeichert werden (sog. CCS-Technologie)[4] Wikipedia zu CCS https://de.wikipedia.org/wiki/CO2-Abscheidung_und_-Speicherung .
Wasserstoff: Bislang ist nicht klar, woher die große Menge an „Grünem“ Wasserstoff (hergestellt mit Strom aus Sonne oder Wind) zu welchen Kosten kommen soll. Damit heizen zu wollen ist reine Verschwendung, da dessen Herstellung viel Wasser und Energie benötigt.[5] Umweltinstitut: Heizen mit Wasserstoff https://umweltinstitut.org/energie-und-klima/wasserstoff/heizen-mit-wasserstoff/
Müllverbrennung: Die Erhöhung von 4% auf 10% am Energiemix widerspricht dem Anliegen Berlins weniger Müll zu produzieren und so Rohstoffe und Energie einzusparen.[6] Deutsche Umwelthilfe: Müllverbrennung ist kein Ressourcenschutz https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/muellverbrennung-ist-keine-erneuerbare-waerme-gebaeudeenergie-und-waermeplanungsgesetz-widersprechen-r/
Biomasse und Holzverbrennung: Die laut Vattenfall jährlich benötigte Menge an Holzhackschnitzeln bedarf dauerhaft für den Holzanbau in Monokultur[7] Wikipedia zu Kurzumtriebsplantage https://de.wikipedia.org/wiki/Kurzumtriebsplantage in Brandenburg und Polen eine Fläche von der 2,4-fachen Größe Berlins[8] Nachgerechnet: Der Bedarf von 450.000-500.000t Holz im Jahr bei einem Ertrag von 1250t pro 1km². Davon gehen ca. 20% bei der notwendigen Trocknung verloren, bleiben 1000t pro 1km². Somit wird eine Fläche von 475 km² benötigt - fast die Hälfte der Fläche Berlins. Da nur alle 5 Jahre geerntet werden kann, ergibt sich ein Flächenbedarf von 2375 km², also dauerhaft 2,4 mal die Fläche Berlins. .
Auswirkungen auf den Boden, der Wasserbedarf der Bäume, Energiebedarf für Trocknung[9] Lagerung von Holz aus Agroforstsystemen https://agroforst-info.de/wp-content/uploads/2021/03/42__Lagerung-von-Holz.pdf , Verarbeitung und Transport sind nicht berücksichtigt, die Kosten dafür daher unbekannt.
CCS–Technologie: Die CO2-Bilanz ist fragwürdig, da das Abscheiden, Transportieren und Verpressen sehr energieaufwändig ist und die Preise für die Zukunft kaum abschätzbar sind.[10] Kartierung der Kosten für CO2-abscheidung und Lagerung in Europa https://www.catf.us/de/2023/02/mapping-cost-carbon-capture-storage-europe/
Erneuerbare Energien: Neben Strom soll Wärme aus erneuerbaren Quellen genutzt werden, davon ca. 6% aus Tiefengeothermie. Hier sind die Probleme der hohe Platzbedarf und die knappe Zeitschiene für die Umsetzung.
Fernwärme hat einen hohen Energiebedarf. Die Vorlauftemperaturen liegen bei 100°C. Ca. 10% der erzeugten Wärmeenergie gehen beim Transport an den Untergrund verloren und heizen den Boden und die Stadt weiter auf und beeinflussen so andere Kreisläufe wie z.B. das Grundwasser. Um Verluste zu reduzieren, muss die Vorlauftemperatur abgesenkt werden[11] Dekarbonisierungsfahrplan Vattenfall, Seite 16 https://wärme.vattenfall.de/binaries/content/assets/waermehaus/startseite/allgemein/dekarbonisierungsfahrplan---vattenfall-warme-berlin-ag.pdf . Die Kraftwerke benötigen für die Umstellung auf CO2-freie Wärmeerzeugung Großwärmepumpen, betrieben mit Strom aus Wind oder Sonne, dazu einen Mix verschiedener Quellen, wie Abwärme von Rechenzentren, Solar- und Geothermie, Gewässerwärme und Speicher.
Wie auch immer in Berlin der Umbau der Fernwärme aussehen wird, er wird mit Sicherheit kompliziert und teuer. Statt neuer Anschlüsse an die Fernwärme zur Wärmeversorgung sind daher Kalte Nahwärmenetze zu bevorzugen.
Sie erlauben eine lokale Wärmeversorgung bei geringem Energiebedarf, da das Wasser darin lediglich Temperaturen von 8°C bis 20°C hat. Wärmepumpen in den Häusern sorgen für die notwendige Heiz- und Warmwasserwärme.[12] Fraunhofer IEE: Wärmepumpen für die kalte Nahwärmeversorgung https://publica-rest.fraunhofer.de/server/api/core/bitstreams/6b01e989-d866-4b6f-b5d5-273b953a5aa4/content
Da sie quelloffen sind, können sie verschiedene (Umwelt-)Wärmequellen nutzen wie den Erdboden, Gewässer, gewerbliche und industrielle Abwärme, Solarthermie oder Umgebungsluft, sowohl einzeln als auch in Kombination. Langzeitspeicher können ergänzend Wärme aus dem Sommer bereitstellen. Mit entsprechender Planung sind diese Netze leicht erweiterbar.
Und: Sie können moderat Gebäude kühlen, was in Zeiten des Klimawandels zunehmend nötig ist.
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Sozialgerechter Klimaschutz und Klimaanpassung im urbanen Raum, Projektarbeit und Klimakommunikation.
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